Freitag, 30. November 2012

Once upon a december... wait - december already?!



Ihr wollt uns also erzählen, dass wir den ersten Dezember haben und es zwei Monate her ist, seit wir zuletzt einen Blog-Eintrag verfasst haben? Nein, nein, das kann nicht sein! Ich hatte letzte Woche noch ein T-Shirt an, das Wetter hier ist meistens sehr gut und von Weihnachtsstimmung keine Spur! Es kann noch gar nicht Dezember sein!
Also, fangen wir mit dem offensichtlichen an: Das römische Wetter. Dieses kennt genau zwei Extreme: Sommerurlaub oder Weltuntergang. Zum Glück haben wir meistens Sommerurlaub, es hat eine ganze Weile gedauert, ehe wir anfangen mussten, wärmere Kleidungsstücke aus dem Schrank hervorzukramen, wobei die dicken Winterjacken immer noch nicht zum Einsatz kamen. Meinen Geburtstag konnte ich am Strand verbringen, was wohl einmalig ist, wenn ich bedenke, dass es letztes Jahr zu meinem Geburtstag schon geschneit hat! Es gibt immer noch Tage, an denen Sonnenbrillen angebracht sind und wenn ich höre, dass es in Deutschland schneit bin ich sehr überrascht. Die Römer würden unsere Ansicht, dass es warm ist, übrigens nicht teilen, sie laufen in warmen Jacken, Schals und Mütze herum, sodass man uns Erasmus-Studenten leicht erkennen kann. Das andere Wetterextrem sieht aus als ginge die Welt unter – Sturzbäche von Regen und dazu Windböen, die einen das fürchten lehren. Die Italiener zumindest fürchten sich davor, regnet es, versinkt Rom im Chaos, Busse und Bahnen fahren nicht mehr und auf den Straßen bilden sich schwimmbadgroße Pfützen, sodass, wenn es irgend möglich ist, kein Römer mehr seine Casa verlässt. Von Schnee dagegen noch keine Spur. Überhaupt scheinen die Römer wenig von der Vorweihnachtszeit zu halten, nirgendwo Dekorationen, keine Weihnachtslieder, keine Weihnachtsmärkte, keine Kekse – nur Panetone, der freilich auch nicht zu verachten ist, aber keineswegs die Bandbreite an Vorweihnachtsstimmung transportiert, die in Deutschland üblich ist und die von uns schmerzlich vermisst wird. Zum Glück haben unsere Mütter an uns gedacht und uns Pakete voll deutscher Weihnachtssüßigkeiten, Adventskalender und anderer wunderbarer Dinge geschickt – herzlichen Dank dafür!
Innerhalb der letzten beiden Monate hatten wir eine Menge Besuch. Zum einen war Ninas Familie für einige Tage hier um sich von der Schönheit der Stadt und Ninas Kochkünsten zu überzeugen. Auch meine Familie beehrte mich zwei ganze Wochen lang mit ihrer Anwesenheit und in diesen zwei Wochen, haben wir viel zusammen unternommen und eine ganze Menge von Rom und Umgebung gesehen. Auch waren Nathalie und Nicola über Allerheiligen hier, auch mit ihnen haben wir die Stadt unsicher gemacht und bis spät in die Nacht gequatscht – Danke an alle für die wunderbare Zeit.
Zudem haben sich in unserer Wohnung einige Änderungen ergeben. Nein, nicht was ihr denkt! Es ist immer noch alles kaputt und funktioniert nicht! Aus unseren Badezimmerwänden kam neulich Wasser und dafür kam keines mehr aus dem Wasserhahn in der Küche, aber dessen hat Aeneas sich schon angenommen, tutto bene. Worüber ich spreche, sind unsere neuen Mitbewohner. Da wäre zum einen unsere Lieblingsaustralierin Annie, welche leider ausziehen musste, da ihr Austauschprogramm ihr derartige Schwierigkeiten bereitet hat, dass sie nicht in Rom bleiben konnte um zu studieren – es gab eine tränenreiche Verabschiedung am Bahnhof und wir vermissen sie hier und hoffen, sie bald wiederzusehen, wenn sie der Auslandserfahrung eine zweite Chance gibt und ihr Glück in Stockholm versucht. An ihrer Stelle ist Camille eingezogen, eine sehr süße Französin, mit der wir uns ebenfalls wunderbar verstehen und die uns beigebracht hat, dass Zauberstab auf Französisch „baguette magique“ heißt. Die zweite Änderung besteht in dem Auszug von Georgia, welche wir nie besonders gut kannten da sie die meiste Zeit bei ihrem Freund verbrachte. Nun lebt dafür Gessica (das ist die italienische Variante des Namens Jessica) hier, die aus Sizilien kommt, trotzdem ein italienisch spricht, das wir verstehen (was wichtig ist, denn ihr Englisch ist nicht so gut – auf die Weise kommen wir aber zum italienisch sprechen!) und auch ansonsten sehr nett ist und uns immer füttern will. Aber auch in veränderter Konstellation verstehen wir uns wunderbar mit allen in der WG, Aeneas bekocht uns weiterhin (für Barbecues ist es den Italienern ja mittlerweile zu kalt, da wird nun halt gekocht) und wir veranstalten von Zeit zu Zeit kleine Dinner-Partys bei denen wir bewiesen haben, dass es möglich ist, siebzehn Menschen in unsere kleine Küche zu quetschen – im Sitzen, wohlgemerkt. Es waren immer sehr lustige Abende, an denen die Unterhaltungen in mindestens drei verschiedenen Sprachen stattfanden – manchmal denke ich, mein Kopf müsse bald explodieren. Es heißt immer, nach einem solchen Erasmus-Aufenthalt müssten wir hinterher perfekt Italienisch sprechen und unser Italienisch wird auch besser, aber dafür kommen wir immer durcheinander. Manchmal unterhalten Nina und ich uns auf Englisch, ehe uns auffällt, dass wir auch Deutsch sprechen könnten, manchmal fallen uns Worte nur auf Italienisch, nicht aber auf Deutsch ein und es gibt Situationen, in denen wir zwar Deutsch sprechen, dazu aber eine italienische Grammatik verwenden. Generell recht unterhaltsam aber nicht unbedingt alltagstauglich.
Natürlich verbringen wir nicht allzu viel Zeit in der Wohnung, wir müssen ja auch nur zur Uni. Es hat eine Weile gedauert, ehe wir das italienische Universitätssystem verstanden hatten (um ehrlich zu sein sind wir uns immer noch nicht sicher, ob wir es begriffen haben) und nun haben wir beide je drei Vorlesungen belegt. Zum einen sitzen wir zusammen in einem deutsch-italienisch Übersetzungskurs, dessen Dozentin vor allem bei Nina für nervöse Anfälle sorgt da sie, obgleich sie Deutsche ist, sich gerne aller Klischees bedient. Des weiteren besuchen wir zusammen einen Kurs zur angloamerikanischen Literatur, der an sich sehr interessant ist und es uns vor allem gestatten, alle fünf Minuten wegzudösen, da die Dozentin sowieso alles fünf Mal sagt. Schließlich besucht Nina noch einen Kurs zu Hanif Kureishi, einem pakistanischen Schriftsteller in London und ich eine Vorlesung zur deutschen Literatur, die jedoch ironischer weise auf Italienisch gehalten wird und bei der ich herzlich wenig verstehe, den Italienern aber lustige Worte wie „weltliche Kanzel“ übersetzen soll. Alles in allem haben wir uns aber gefunden und freitags haben wir immer frei!
Nach der Uni geht es meist in die Mensa, denn die ist wirklich gut. Unmengen von Essen für zwei Euro! Wenn wir zurück nach Deutschland kommen werden, werden wir schrecklich verwöhnt sein, was Essen angeht – nicht nur, dass es in Restaurants schon so gut ist, nein, selbst die Mensa kann mit so manchem deutschen Restaurant mithalten! Gut, dass ich es endlich geschafft habe, mich zum Tennis anzumelden, bei all‘ dem Essen ist das bitte nötig – selbst die Eisdielen haben noch offen! Aber wieder Tennis spielen zu können macht mir großen Spaß.
Außerhalb der Uni unternehmen wir auch zunehmend mehr, zum einen freilich mit den vielen neu gewonnenen Freunden, aber oft auch von Erasmus angebotene Veranstaltungen. So gibt es Tandem-Treffen oder Kinoabende in italienischer Sprache, manchmal auch ganze Ausflüge. Vor wenigen Wochen nahmen wir an einer Tagestour nach Tivoli, kurz vor Rom, teil. Dort besichtigten wir die altrömische Villa Adriana und danach die Villa d’Este, welche durch ihren wunderschönen Garten besticht – ein Besuch in selbiger sei hiermit jedem Leser / jeder Leserin / jedem fliegenden Einhorn ans Herz gelegt. Abends ging es dann noch in ein typisch römisches Lokal wo es viel Wein und andere römische Spezialitäten gab – Nina und ich haben von einer Wurst aus Kuhkopf gegessen, die tatsächlich gar nicht mal so schlecht war und als wir abends nach Hause fuhren hatten wir einen furchtbaren Ohrwurm von einem römischen Trinklied.
Eine Woche später stand schon der nächste Trip an – aber davon mehr beim nächsten Mal, ci vediamo con cari saluti dalla Toscana!