Ihr wollt uns also erzählen, dass wir den ersten Dezember
haben und es zwei Monate her ist, seit wir zuletzt einen Blog-Eintrag verfasst
haben? Nein, nein, das kann nicht sein! Ich hatte letzte Woche noch ein T-Shirt
an, das Wetter hier ist meistens sehr gut und von Weihnachtsstimmung keine
Spur! Es kann noch gar nicht Dezember sein!
Also, fangen wir mit dem offensichtlichen an: Das
römische Wetter. Dieses kennt genau zwei Extreme: Sommerurlaub oder
Weltuntergang. Zum Glück haben wir meistens Sommerurlaub, es hat eine ganze
Weile gedauert, ehe wir anfangen mussten, wärmere Kleidungsstücke aus dem
Schrank hervorzukramen, wobei die dicken Winterjacken immer noch nicht zum
Einsatz kamen. Meinen Geburtstag konnte ich am Strand verbringen, was wohl
einmalig ist, wenn ich bedenke, dass es letztes Jahr zu meinem Geburtstag schon
geschneit hat! Es gibt immer noch Tage, an denen Sonnenbrillen angebracht sind
und wenn ich höre, dass es in Deutschland schneit bin ich sehr überrascht. Die
Römer würden unsere Ansicht, dass es warm ist, übrigens nicht teilen, sie
laufen in warmen Jacken, Schals und Mütze herum, sodass man uns Erasmus-Studenten
leicht erkennen kann. Das andere Wetterextrem sieht aus als ginge die Welt
unter – Sturzbäche von Regen und dazu Windböen, die einen das fürchten lehren.
Die Italiener zumindest fürchten sich davor, regnet es, versinkt Rom im Chaos,
Busse und Bahnen fahren nicht mehr und auf den Straßen bilden sich
schwimmbadgroße Pfützen, sodass, wenn es irgend möglich ist, kein Römer mehr
seine Casa verlässt. Von Schnee dagegen noch keine Spur. Überhaupt scheinen die
Römer wenig von der Vorweihnachtszeit zu halten, nirgendwo Dekorationen, keine
Weihnachtslieder, keine Weihnachtsmärkte, keine Kekse – nur Panetone, der
freilich auch nicht zu verachten ist, aber keineswegs die Bandbreite an
Vorweihnachtsstimmung transportiert, die in Deutschland üblich ist und die von
uns schmerzlich vermisst wird. Zum Glück haben unsere Mütter an uns gedacht und
uns Pakete voll deutscher Weihnachtssüßigkeiten, Adventskalender und anderer
wunderbarer Dinge geschickt – herzlichen Dank dafür!
Innerhalb der letzten beiden Monate hatten wir eine Menge
Besuch. Zum einen war Ninas Familie für einige Tage hier um sich von der
Schönheit der Stadt und Ninas Kochkünsten zu überzeugen. Auch meine Familie
beehrte mich zwei ganze Wochen lang mit ihrer Anwesenheit und in diesen zwei
Wochen, haben wir viel zusammen unternommen und eine ganze Menge von Rom und
Umgebung gesehen. Auch waren Nathalie und Nicola über Allerheiligen hier, auch
mit ihnen haben wir die Stadt unsicher gemacht und bis spät in die Nacht
gequatscht – Danke an alle für die wunderbare Zeit.
Zudem haben sich in unserer Wohnung einige Änderungen
ergeben. Nein, nicht was ihr denkt! Es ist immer noch alles kaputt und
funktioniert nicht! Aus unseren Badezimmerwänden kam neulich Wasser und dafür
kam keines mehr aus dem Wasserhahn in der Küche, aber dessen hat Aeneas sich
schon angenommen, tutto bene. Worüber ich spreche, sind unsere neuen
Mitbewohner. Da wäre zum einen unsere Lieblingsaustralierin Annie, welche
leider ausziehen musste, da ihr Austauschprogramm ihr derartige Schwierigkeiten
bereitet hat, dass sie nicht in Rom bleiben konnte um zu studieren – es gab
eine tränenreiche Verabschiedung am Bahnhof und wir vermissen sie hier und
hoffen, sie bald wiederzusehen, wenn sie der Auslandserfahrung eine zweite
Chance gibt und ihr Glück in Stockholm versucht. An ihrer Stelle ist Camille
eingezogen, eine sehr süße Französin, mit der wir uns ebenfalls wunderbar
verstehen und die uns beigebracht hat, dass Zauberstab auf Französisch
„baguette magique“ heißt. Die zweite Änderung besteht in dem Auszug von
Georgia, welche wir nie besonders gut kannten da sie die meiste Zeit bei ihrem
Freund verbrachte. Nun lebt dafür Gessica (das ist die italienische Variante
des Namens Jessica) hier, die aus Sizilien kommt, trotzdem ein italienisch
spricht, das wir verstehen (was wichtig ist, denn ihr Englisch ist nicht so gut
– auf die Weise kommen wir aber zum italienisch sprechen!) und auch ansonsten
sehr nett ist und uns immer füttern will. Aber auch in veränderter
Konstellation verstehen wir uns wunderbar mit allen in der WG, Aeneas bekocht
uns weiterhin (für Barbecues ist es den Italienern ja mittlerweile zu kalt, da
wird nun halt gekocht) und wir veranstalten von Zeit zu Zeit kleine
Dinner-Partys bei denen wir bewiesen haben, dass es möglich ist, siebzehn
Menschen in unsere kleine Küche zu quetschen – im Sitzen, wohlgemerkt. Es waren
immer sehr lustige Abende, an denen die Unterhaltungen in mindestens drei
verschiedenen Sprachen stattfanden – manchmal denke ich, mein Kopf müsse bald
explodieren. Es heißt immer, nach einem solchen Erasmus-Aufenthalt müssten wir
hinterher perfekt Italienisch sprechen und unser Italienisch wird auch besser,
aber dafür kommen wir immer durcheinander. Manchmal unterhalten Nina und ich uns
auf Englisch, ehe uns auffällt, dass wir auch Deutsch sprechen könnten,
manchmal fallen uns Worte nur auf Italienisch, nicht aber auf Deutsch ein und
es gibt Situationen, in denen wir zwar Deutsch sprechen, dazu aber eine
italienische Grammatik verwenden. Generell recht unterhaltsam aber nicht
unbedingt alltagstauglich.
Natürlich verbringen wir nicht allzu viel Zeit in der
Wohnung, wir müssen ja auch nur zur Uni. Es hat eine Weile gedauert, ehe wir
das italienische Universitätssystem verstanden hatten (um ehrlich zu sein sind
wir uns immer noch nicht sicher, ob wir es begriffen haben) und nun haben wir
beide je drei Vorlesungen belegt. Zum einen sitzen wir zusammen in einem
deutsch-italienisch Übersetzungskurs, dessen Dozentin vor allem bei Nina für nervöse
Anfälle sorgt da sie, obgleich sie Deutsche ist, sich gerne aller Klischees
bedient. Des weiteren besuchen wir zusammen einen Kurs zur angloamerikanischen
Literatur, der an sich sehr interessant ist und es uns vor allem gestatten,
alle fünf Minuten wegzudösen, da die Dozentin sowieso alles fünf Mal sagt. Schließlich
besucht Nina noch einen Kurs zu Hanif Kureishi, einem pakistanischen
Schriftsteller in London und ich eine Vorlesung zur deutschen Literatur, die
jedoch ironischer weise auf Italienisch gehalten wird und bei der ich herzlich
wenig verstehe, den Italienern aber lustige Worte wie „weltliche Kanzel“
übersetzen soll. Alles in allem haben wir uns aber gefunden und freitags haben
wir immer frei!
Nach der Uni geht es meist in die Mensa, denn die ist
wirklich gut. Unmengen von Essen für zwei Euro! Wenn wir zurück nach
Deutschland kommen werden, werden wir schrecklich verwöhnt sein, was Essen
angeht – nicht nur, dass es in Restaurants schon so gut ist, nein, selbst die
Mensa kann mit so manchem deutschen Restaurant mithalten! Gut, dass ich es
endlich geschafft habe, mich zum Tennis anzumelden, bei all‘ dem Essen ist das
bitte nötig – selbst die Eisdielen haben noch offen! Aber wieder Tennis spielen
zu können macht mir großen Spaß.
Außerhalb der Uni unternehmen wir auch zunehmend mehr,
zum einen freilich mit den vielen neu gewonnenen Freunden, aber oft auch von
Erasmus angebotene Veranstaltungen. So gibt es Tandem-Treffen oder Kinoabende
in italienischer Sprache, manchmal auch ganze Ausflüge. Vor wenigen Wochen
nahmen wir an einer Tagestour nach Tivoli, kurz vor Rom, teil. Dort besichtigten
wir die altrömische Villa Adriana und danach die Villa d’Este, welche durch
ihren wunderschönen Garten besticht – ein Besuch in selbiger sei hiermit jedem
Leser / jeder Leserin / jedem fliegenden Einhorn ans Herz gelegt. Abends ging
es dann noch in ein typisch römisches Lokal wo es viel Wein und andere römische
Spezialitäten gab – Nina und ich haben von einer Wurst aus Kuhkopf gegessen,
die tatsächlich gar nicht mal so schlecht war und als wir abends nach Hause
fuhren hatten wir einen furchtbaren Ohrwurm von einem römischen Trinklied.
Eine Woche später stand schon der nächste Trip an – aber davon
mehr beim nächsten Mal, ci vediamo con cari saluti dalla Toscana!
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