Sonntag, 16. Dezember 2012

Sommerurlaub im November


Dass Rom genug zu bieten hat um nicht nur sechs Monate, sondern durchaus auch sechs Jahre locker zu füllen, steht außer Frage. Da wir die aber nicht haben, müssen wir mit der Zeit, die uns bleibt, haushalten so gut es geht. Und dazu gehört, auch den Rest des Landes nicht zu vergessen, das wir zurzeit Zuhause nennen. Da kommt uns natürlich nur zu Gute, dass die lieben Menschen von ESN sich in den italienischen Gefilden etwas besser auskennen als wir armen orientierungslosen Erasmus-Studenten, und alle paar Wochen Trips in alle Ecken von Italien anbieten. Einer davon war Ende November ein Ausflug übers Wochenende in die Toskana. Auf dem Plan standen Siena, Florenz und Pisa und den Bus voller aufgeregter Klassenfahrtstimmung ging’s Freitagmorgen um neune von unserer Stadteigenen Pyramide aus los. Nächster Halt: Toskana! Oder sagen wir besser, italienische neune...

8:55 Die beiden Deutschen (a.k.a. wir) stehen brav und überpünktlich mit gepackten Köfferchen am Treffpunkt und wundern sich, warum keiner da ist.
9:02 Immer noch keiner da. Langsam werden wir nervös. Handys werden im 3-Sekunden-Takt gecheckt.
9:11 So langsam trudeln dann auch ein paar Leute ein, immerhin sind wir nicht mehr alleine. Wir hatten schon gedacht, wir hätten uns im Tag vertan.
9:24 Der Platz füllt sich. Die Veranstalter treffen ein.
9:50 Heureka! Wir fahren! Aber nur bis…
10:05 Zwischenstopp für ein Frühstück „al sacco“ (mitgebracht, in dem Fall Croissants, oder Brioches, wie man hier sagt) und um ein paar Leute von der Luiss (Privatuni in Rom) einzusammeln, die sich unserem lustigen Grüppchen anschließen wollen.
10:20 ENDLICH los Richtung Toscana! Aufregung!

Im Bus letztendlich geht es etwas ruhiger zu, als erwartet. Zwar tun Elisabetta und die anderen Organisatoren ihr Möglichstes um mit Partymusik und Kennenlern-Sing-Spielchen die Stimmung anzukurbeln, aber die frühe Stunde hat doch am Elan der Mitreisenden gezerrt.
Wach werden wir erst wieder so richtig in Pienza, eine wunderhübsches kleines Dörfchen in der Nähe von Siena, das aussieht, wie ein Direktimport aus dem Mittelalter und komplett als UNESCO Weltkulturerbe eingetragen ist. Nach vielen „Oooh“s und „Aaah“s und kalter Pizza zum Mittag ging’s dann weiter nach Siena wo wir zuerst ins Hotel fuhren, um unsere Koffer abzuladen und dann gegen späten Nachmittag pünktlich zum Sonnenuntergang im Zentrum ankamen. Wahnsinn!
Der Plan für den Nachmittag war schnell erklärt: Stadtführung durchs Zentrum, Zeit für n Eischen (für Eis ist immer Zeit.), zurück ins Hotel und fertig machen für den Abend.



Der nächste Tag war das, worauf sich wohl die meiste Aufregung der Mitreisenden konzentrierte: der Tagesausflug nach Florenz. Auch hier war der Plan nachdem am Abend zuvor einige noch aus waren so optimistisch gesteckt wie ein Putzplan in einer Jungs-WG.

10:00 Geplante Abfahrt. Niedlich.
10:12 Die ersten verkaterten Gesichter zeigen sich im Foyer
10:38 So gut wie vollzählig. Aber da fehlt doch noch was…
10:42 Aaahja, der Bus trifft ein (auch der Busfahrer weiß, dass er sich überhaupt nicht beeilen muss, pünktlich zu sein, und trinkt klugerweise lieber noch gemütlich einen Kaffee)
10:45 Abfahrt nach Florenz. Erfolg, nur 45 Minuten nach Zeitplan!

Mit leicht mitgenommener aber sonst weiter ungetrübter Vorfreude geht es auf die Fahrt nach Florenz und man kann sagen, uns wurde nicht zu viel versprochen. Den ersten Stopp machen wir auf der Piazza Leonardo Da Vinci, von der aus man einen derart sagenhaften Ausblick über die Stadt hat, dass man gar nicht glauben will, dass es im Zentrum selbst noch besser wird. 



Nach 23747093476 Fotos und 27162387 Gruppenfotos werden wir zurück in den Bus gescheucht, denn es gilt ja, den Zeitplan wieder aufzuholen. Da uns das Wetter an diesem Samstag so hold ist wie wir es uns nur wünschen können, werden beim nächsten Stopp im Centro Storico die ersten Jacken schon im Bus gelassen und zusammen mit der Stadtführerin machen wir uns auf, die Stadt ein bisschen kennen zu lernen. Was die Sehenswürdigkeiten angeht, besticht Florenz besonders mit seinem wunderschönen marmornen Dom und mit dem insgesamt historisch-mittelalterlich anmutenden Stadtbild. Für die Mädels waren besonders die Geschäfte reizvoll, denn wenn Rom eines nicht ist, dann eine Shoppingstadt, und am Fluss Arno gelegen bieten auch die verschiedenen Brücken, besonders aber die Ponte Vecchio (zu dt. alte Brücke) einen tollen Ausblick vom Flussufer.
Gegen späten Nachmittag ging es dann für alle, frisch verliebt in dieses Stück Mittelaltergeschichte von Stadt, zurück nach Siena zum Abendessen und Frischmachen, um im Anschluss einen gemeinsamen Abend im Zentrum von Siena zu verbringen. Alles was sich dazu sagen lässt, ist: die Piazza del Campo ist bei Nacht noch schöner als am Tage, Österreicher vertragen keinen Rotwein und Taxen in Siena sind verlässlicher als angenommen!

Der dritte und letzte Tag des Wochenendes sollte ganz Pisa und der Rückfahrt gewidmet sein. Nadine und ich hatten, als fleißige Bienchen, die wir sind, unsere Koffer schon am Abend vorher gepackt, und konnten daher amüsiert die Zombieparade betrachten, die sich zuerst zum Frühstück, dann zum Bus quälte und die Spuren vom Wochenende nur schwer zu verstecken wusste. Da fand es niemand schlimm, dass Pisa nicht unbedingt als Weltstadt oder Metropole bezeichnet werden kann und es außer der Piazza die Miracoli (Platz der Wunder) nicht besonders viel anzusehen gibt. Auch hat uns das Wetter wieder einmal zugespielt, sodass sich träge von einer Kirche zur andern und schließlich zum berühmt berüchtigten schiefen Turm geschleppt wurde (Fun Fact: in Wirklichkeit hat der Turm eine Bananenform gen Himmel, um der Stabilität zuzuwirken), während eine enthusiastische Stadtführerin ihr sämtliches Pisawissen zuerst auf Italienisch und dann noch einmal auf Englisch zum Besten gab.



Wie zu erwarten verlief auch die Rückfahrt klassenfahrtverhältnismäßig ruhig, was wohl besonders den Busfahrer gefreut haben dürfte, und nur von einer Pipi-Pause unterbrochen ging es zügig zurück in die vorübergehende Heimat.
Retrospektiv kann ich nur sagen, dass ich wirklich froh und dankbar bin, dass es Organisationen wie das Erasmus Student Network (kurz ESN) gibt, die solche Fahrten für vergleichsweise kleines Geld anbieten und damit Austauschstudenten die Möglichkeit geben, neben der sowieso schon wahnsinnigen Erfahrung eines Auslandssemesters in einer fremden Stadt auch noch andere wichtige, schöne, interessante und faszinierende Teile des Landes zu sehen, und dass ich jedem, der ein Erasmussemester oder –jahr in Erwägung zieht nur wärmstens empfehlen kann, an solchen Trips teilzunehmen, weil es kaum eine bessere Möglichkeit gibt, gleichzeitig so viele Städte und liebe Menschen kennen zu lernen!

Zum Abschluss bleibt nur noch die Frage: Wie viel Zeit kann man eigentlich mit Warten verbringen, bevor man irre wird?

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